15.01.2023
Wintertrainingslager 22/23
Skifahren in grün-weiss
Der Blick nach oben verheisst nichts Gutes. 70 Sachen hat der drauf, mindestens, dieser 90kg Koloss aus reinem Muskel auf Knochen. Klack-Klack-Klack. Die meisten meiner Kollegen trifft es mit voller Wucht. Und ich – ich stehe mitten auf der Piste, kurz nach einem Steilstück, mit maximalem Abstand zu meinem Vordermann. Das geborene Opfer. Das kann doch alles nicht wahr sein. Dabei hatte es so gut angefangen…
Aber von Vorne. Ich bin die Nummer „31“, eine stolze, rote Kippstange mit viel Erfahrung. Best-Ager sozusagen. Seit einiger Zeit arbeite ich in Teilzeit für den TSV-Vaterstetten, zuvor einige Jahre bei einem Proficlub irgendwo in Österreich. Nun gut, der alte Job hatte möglicherweise etwas mehr Prestige, so mit Fernsehübertragung und so, aber die Leute hier beim TSV sind dafür deutlich netter. Zudem liegt mir die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – nicht nur, aber zugegeben auch, weil die im Schnitt deutlich weniger Masse mitbringen als die Kaderathleten vom ÖSV.
Das Problem mit dem TSV ist, dass die halt echt ziemlich konsequent trainieren und noch dazu unverschämt viel Glück mit dem Wetter haben. Die letzte Saison stand ich praktisch jeden Trainingstag auf der Piste und musste arbeiten. Die aktuelle Saison hingegen ist vielversprechend gestartet: pünktlich nach dem Gletschertraining wurde es wärmer und wärmer, grüner und grüner. Zwei Wochen vor dem Wintertrainingslager wurde es langsam hektisch bei der Skiabteilung. Das Hausskigebiet in Niederau erstrahlte in saftigem Grün, in den höher gelegenen Gebieten changierte weisser Schnee mit braunem… – das will ich eigentlich gar nicht so genau wissen. Dutzende, hektische Telefonate: „Hallo, ich bin der Flo, ich wollte fragen ob wir bei Euch einen Lauf stecken kö…. Ach so. Ja, ich verstehe. Vielleicht beim nächsten Mal. Dank‘ Dir trotzdem.“
Dann, Anfang Januar, sprang plötzlich die Tür zum Materialraum auf – eine Hand griff in Richtung Stangenbag und ehe ich es so richtig verstanden hatte lagen wir alle auf dem Boden des TSV Busses. Ich hörte noch: „Hopfgarten“ und „Kitzbühel“ und im nächsten Moment war ich dann schon zwischen bestens gelaunten TSV Jungathleten in einer Gondel auf dem Weg den Salvenberg hoch.
Mit 39 Kindern und 7 Trainern waren wir angereist. Dazu nochmal so viel Betreuungspersonal – aka ‚Eltern’. Die Augen unserer Athleten glänzten wie die Sonne, als der erste Kurs mit uns gesteckt wurde. Die richtige Sonne hielt sich allerdings an unserem ersten Tag vornehm zurück. Um ganz ehrlich zu sein: wir wurden tierisch eingeschifft und der Schnee war entsprechend. Macht nix, wir sind Profis beim TSV, zumindest im Kopf, wir kompensieren schlechtes Wetter mit der richtigen Einstellung. Für mich lief der Tag ganz gut, erster Tag Slalom-Training, da wird man noch nicht bei jedem Lauf geboxt. Viele Eltern waren auch auf der Piste, da dachte ich noch: Mensch, was haben die für eine gute Kinderstube genossen, ganz vornehm sind die meisten im gebührenden Abstand um uns rumgefahren. Hätten sie mal ihren Kindern beibringen sollen…
Am Ende des Trainingstages waren unsere Athleten zwar tropfnass, aber richtig gut drauf. Trotzdem trieb mich schon die Hoffnung, dass die Gruppe bei dem Wetter am nächsten Tag Pause – Verzeihung: Ausgleichstraining in der Schwimmhalle - machen würde. Aber alles wurde nur noch viel schlimmer für mich…
2. Trainingstag: 8.15h stehen wir pünktlich an der Fleckalmbahn. Gruppeneinteilung – dann mit dem ersten Lift hoch. Ein Timing wie bei den Profis. Und dann das: auf dem Gipfel des Kirchbergs lacht uns die Sonne entgegen, und das Schneemanagement von KitzSki hat über Nacht aus dem wenigen Schnee ein kleines Pistenwunder vollbracht. Die Stimmung in der Truppe ist grossartig, während ich mich mental auf einen ganz harten Tag vorbereite…
Wegen der Kinder wärs ja nicht gewesen. Aber im Trainingsplan war ich eingeplant für die Masterclass Profis. „Master“, das ist dieser Euphemismus für die Sportler, die man früher mal „Age Grouper“, noch früher „Senioren“ nannte. Scheinbar hatte sich der/die ein oder andere 30-jährige von der Bezeichnung „Senior“ ein wenig auf den Schlips getreten gefühlt. Immer diese Befindlichkeiten... Das sind heute nicht die netten, umsichtigen Eltern von gestern mit dem Fokus auf Technik. Das sind Menschen mit untherapierten Gewaltphantasien bzgl. Sportstangen. Jede von uns wird umgenietet. Je härter, desto besser. Da, schon wieder einer, OMG… Auaaaa!
Es ist Mittag. Die Schlacht ist geschlagen. Wir haben gesiegt. Irgendwann gegen 11h haben die Masters aufgegeben. Wollten Technik trainieren. Während wir noch alle stramm standen. Erfahrung schlägt gutes Aussehen mit 1:0.
Zeit im Stangenbag etwas auszuruhen und nach den Rennkids zu schauen. Die schiessen immer wieder an uns vorbei. Schnitzel mit Pommes hat ihnen die Energie zurück gegeben, die streng genommen gar nicht gefehlt hatte. Schon immer ein Genuss zuzuschauen, wenn so ein Renngeschwader an einem vorbei zischt. Wobei die Trainer ja Wert darauf legen, dass ihre Athleten Ihre Übungen lieber kontrolliert als schnell ausführen.
Gen 15:00h fahren wir alle wieder runter – danach noch eine kurze Session Ausdauer, Koordination und Dehnung, dann gibt’s wohlverdiente Auszogne - hausgemacht im Steinerhof. Bei Glühwein und Kinderpunsch sammeln sich Athleten, Trainer und Eltern um ein großes Lagerfeuer. So lässt’s sich aushalten.
Die zwei folgenden Tage vergehen wie im Flug. Ich trainiere fleissig mit den Kindern, die Masters haben ihre Lektion gelernt und trainieren Technik. Anderslautende Gerüchte, dass ohnehin nur ein halber Tag Training mit uns und den Masters vorgesehen war, dementiere ich auf das Schärfste! Aus vier Tagen, von denen mangels Schnee eigentlich kaum etwas zu erwarten war, werden am Ende drei Tage Training bei bestem Wetter und wirklich guten Pistenverhältnissen. Manchmal stimmt’s halt schon: das Glück trifft den Tüchtigen.